Bericht im ‚Bad Tölzer Merkur‘:
Ramona Schmid und Alexander Grögeder bauen in Tansania eine Klinik-Betriebsfeuerwehr auf. Dazu kamen jüngst viele Materialspenden aus dem Isarwinkel in Ostafrika an.
Lenggries – Brennt es hierzulande, ist die Feuerwehr in der Regel nach wenigen Minuten vor Ort und hilft. In Tansania ist das anders: In Mwanza – mit über 700 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des ostafrikanischen Landes – beispielsweise gibt es nur eine einzige Feuerwache, die auch noch das Umland mitversorgen muss. Die Anfahrt bis zum Einsatzort dauert oft über eine Stunde. „Es gibt dort kein Rettungssystem, wie wir es kennen“ sagt Ramona Schmid (40).
Die Lenggrieser Feuerwehrfrau und Polizistin hat nun vor Ort mit ihrem Lebensgefährten Alexander Grögeder von der Berufsfeuerwehr München dazu beigetragen, die Lage zu verbessern. Im Ortsteil Mkolani halfen die beiden beim Aufbau einer Feuerwehr, die sich um den Schutz des Krankenhauses St. Clare kümmern wird. Mit im Gepäck hatten die Isarwinkler Spenden der Feuerwehren aus Bad Tölz, Lenggries, Wegscheid und Dachau.
Einsatzkleidung aus Lenggries für Tansania
An Material zu kommen, war gar nicht so einfach. „Letztes Jahr ist vieles in die Ukraine gegangen“, sagt Grögeder (43). Doch weil die Lenggrieser Feuer-wehren von der Gemeinde neue Einsatzkleidung bekommen, wanderte die gebrauchte in den Fracht-container für Tansania. Andere steuerten Schläuche und weitere nützliche Ausrüstungsgegenstände bei.
Kurz nach Leonhardi brachen die beiden Isarwinkler nach Ostafrika auf. Für Schmid war es nicht die erste Reise nach Tansania. Vor zehn Jahren half sie dabei, dort einen Rettungswagen zu installieren. Aus dieser Zeit stammt auch der Kontakt zu Arzt und Pfarrer Dr. Thomas Brei. Der Wasserburger baute 2014 die Klinik St. Clare auf und kümmert sich seitdem um diese Einrichtung. Die erste Herausforderung war es, den Container im 1280 Kilometer vom Krankenhaus entfernten Hafen Daressalam abzuholen. „Die Freigabe hat 12 Stunden gedauert“, erinnert sich Grögeder. Auch die eine oder andere Geldsumme musste bezahlt werden.
Ein Problem waren die fehlenden Socken
Zurück in Mwanza stellten die beiden ihren Plan erst einmal bei den Verantwortlichen der Hauptfeuerwache vor. Schließlich habe man mögliche Animositäten vermeiden wollen. „Wir haben erklärt, dass wir sowas wie First Responder machen und die Hauptfeuerwehr unterstützen“, erklärte Grögeder. Zudem sicherten er und Schmid zu, für die Mitglieder der Hauptfeuerwache einen Erste-Hilfe-Kurs anzubieten. 60 Teilnehmer gab es am Ende. „Und als Dank sind wir mit dem Feuerwehrboot über den Viktoriasee zu eine Nationalpark gefahren worden“, berichtet Schmid.
Zurück am Krankenhaus begann dann die eigentliche Arbeit. Freiwillige für die neue Feuerwache wurden gesucht – und schnell gefunden. Mit zehn Kräften startete das Training, „am Ende waren es 14, darunter eine Frau“. sagt Schmid. Rekrutiert wurden die Freiwilligen vor allem aus den Reihen der Handwerker und Tagelöhner. Mitglied der Feuerwehr zu sein, habe das Selbstbewusstsein gestärkt. „Sie hatten plötzlich das Gefühl, auch jemand zu sein. Und wir haben allen gesagt: Diese Leute sind sehr wichtig. Denn sie retten das Krankenhaus, wenn es brennt.“
Die Herausforderungen waren vielfältig. Problem Nummer eins: In einer Garage steht zwar seit Jahren ein aus Wasserburg gespendetes Fahrzeug mit Tragkraftspritze. „Die ist aber nie gelaufen“, so Grögeder. „Ich musste erst einmal herausfinden, wie die Pumpe funktioniert. Das Ding ist fas so alt wie ich. „Sowas baut keiner mehr“, sagt der 43-jährige. Überhaupt habe er schnell akzeptieren müssen, „dass man den eigenen Perfektionismus herunterschrauben muss“, erklärt Grögeder und lacht.
„Pole, pole – langsam, langsam“ gilt in Tansania
Problem Nummer zwei: Die beiden Lenggrieser hatten zwar passendes Schuhwerk für die neuen Einsatzkräfte mitgebracht. „Nicht bedacht haben wir aber, dass dort keiner Socken hat“, erzählt Schmid. Tatsächlich entpuppte es sich als glückliche Fügung, dass ihr eine Bekannte kurzfristig noch einen ganzen Schwung an Strümpfen mitgegeben hatte. „Sie hat mich noch gefragt, ob das als Spende blöd ist. Aber das war unsere Rettung.“
Offensichtlich gefielen den Tansaniern die neuen Socken. „Die restliche Zeit hatten sie sie in den Flipflops an“, sagt Schmid. Auch die übrige Ausrüstung trugen die Freiwilligen mit großem Stolz. „Wir haben ihnen gesagt, dass sie beim Training die Jacken ruhig ausziehen können, weil es ja über 30 Grad hatte“, so Schmid. Die Jacken – auf dem Rücken steht groß „Feuerwehr Wegscheid“ – aber blieben an.
Problem Nummer drei waren die unterschiedlichen Zeitvorstellungen. Ein Treffen um 10 Uhr bedeutete nicht für alle dasselbe. „In der tansanischen Zeitrechnung ist 6 Uhr, wenn aufgestanden wird, die Stunde Null“ sagt Grögeder. Das habe am Anfang für einige Verwirrung gesorgt. 10 Uhr entpuppte sich ohnehin als schlechte Zeit. „Denn das ist die Teezeit – und die ist heilig“, berichtet Schmid. Generell habe man sich daran gewöhnen müssen, dass in Tansania alles deutlich gemächlicher geht. „Pole, pole – langsam, langsam bekamen die Deutschen immer wieder zu hören.
Von den Übungen werden jetzt Videos geschickt
Das Training der angehenden Einsatzkräfte begann bei Null. Sie lernten, wie man eine sinnvolle Wasserversorgung aufbaut, Schläuche zusammensteckt oder auch die Pumpe betreibt. Erklärt wurde auf Englisch, Kisuaheli und vor allem mit Händen und Füßen. Schmid: „Es hat sich eine richtige Gruppendynamik entwickelt. Und die hatten alle soviel Spaß.“
Auch sonst kümmerten sich die beiden um das Thema Brandschutz in der Klinik. Ein Flucht- und Rettungsplan wurde erstellt. Die Mitarbeitenden bekamen eine Schulung, die Notausgänge und Sammelpukte eine Beschilderung. Während man Letztere in Deutschland einfach bestellen kann, wurden die Schilder in Tansania von Hand gemalt. Auch an anderer Stelle war Einfallsreichtum gefragt. Die großen Haken, an denen nun die Einsatzkleidung samt Helm Platz findet, fertigten Handwerker beispielweise aus alten Wasserrohren. Damit in der Klinik im Brandfall überhaupt Alarm gegeben werden kann, speicherte Grögeder ein passedes Signal auf einem USB-Stick. Der wird im Ernstfall in die Lautsprecheranlage einestöpselt. Ein weiterer Mitarbeiter läuft mit einem Megafon – auch das wurde gekauft – übers Gelände.
Bayerische Feuerwehrler waren fünf Wochen in Tansania
Ob das neue System funktioniert, das wurde am Ende des über fünfwöchigen Aufenthalts der bayerischen Gäste getestet. Für die neue Betriebsfeuerwehr stand eine Überraschungsübung auf dem Programm – die Aktiven wussten also nicht, was auf sie zukam. „Feuer in der Endoskopie“ lautete das Szenario. Die Alarmierung der Einsatzkräfte über die extra eingerichtete SMS-Gruppe funktionierte bestens. „In knapp neun Minuten hatten sie Wasser am Rohr“ sagt Grögeder und klingt dabei durchaus stolz.
Als Belohnung gab es für jeden eine Urkunde, die bestätigt, dass er nun Mitglied der Feuerwehr ist – und ein großes Abschiedsessen. Zu dem kam auch der Verantwortliche der Hauptfeuerwache, der die Übung beobachtet hatte, und lobte die neue Einsatztruppe.
Am nächsten Tag hieß es dann Abschied nehmen. Das fiel allen schwer. „Die Menschen sind uns echt ans Herz gewachsen „, erzählt Ramona Schmid. Es seien echte Freundschaften entstanden. „Und obwohl sie nichts haben, gab es noch Geschenke für uns. „Ein Hemd und ein Kleid aus buntem Stoff durften die Lenggrieser mit nach Hause nehmen.
Dagelassen haben sie einen Plan für Lösch- und Sportübungen, an den sich die Feuerwehrleute offensichtlich halten. „Wir bekommen jetzt immer Videos geschickt“ sagt die 40-jährige. Die beiden hoffen, dass die Begeisterung für die Feuerwehr Bestand hat. Ein Kollege von Grögeder möchte sich im Februar ein Bild vor Ort machen, „aber auch wir wollen auf jeden Fall wieder runter“ – selbst wenn dafür wieder der Jahresurlaub geopfert werden muss. „Aber was wir erlebt haben“sagt Schmid, „das war einfach der Wahnsinn“.